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Unfallschaden

Eigenbedarfskündigung scheitert an Härtefallregelung

Die Kündigung des Vermieters wegen Eigenbedarfs birgt in der Regel viel Konfliktpotenzial. Geregelt ist die Eigenbedarfskündigung in § 573 BGB. Demnach ist der Vermieter zur ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt, wenn er „die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt.“

Liegt Eigenbedarf vor, hat der Mieter schlechte Karten - schutzlos ist er aber nicht. Stellt die Kündigung eine unzumutbare Härte für den Mieter oder Angehörige seines Haushalts vor, muss er unter gewissen Voraussetzungen trotz des Eigenbedarfs des Vermieters nicht aus der Wohnung ausziehen. Ein Widerspruch gegen die Kündigung ist gemäß § 574 BGB möglich, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter oder seine Angehörigen eine solche Härte bedeuten würde, „die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist“. Das gilt jedoch nicht, wenn ein Grund vorliegt, der den Vermieter zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigen würde.

Die Regelung ausdrücklich vor, dass eine solche Härte für den Mieter auch dann vorliegt, wenn eine angemessene Ersatzwohnung zu zumutbaren Bedingungen nicht zu finden ist. In der Praxis sind die Hürden allerdings hoch, damit die Mieter sich auf diese Regel berufen können und die Eigenbedarfskündigung deshalb scheitert. Dies gelingt nur, wenn der Mieter umfassend darlegen kann, dass er keine angemessene Ersatzwohnung gefunden hat, obwohl er sich entsprechend darum bemüht hat. Selbst wenn dies der Fall ist, muss das Gericht immer noch zwischen den berechtigten Interessen des Mieters und Vermieters abwägen.

Dass das Pendel dabei auch zugunsten des Mieters ausschlagen kann, zeigt ein Urteil des Amtsgerichts Lübeck vom 1. Februar 2022 (Az. 33 C 1544/21). In dem zu Grunde liegenden Fall lebte eine Familie mit vier Kleinkindern in einer Wohnung in Lübeck. Deren neue Eigentümerin kündigte das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs, da sie sich von ihrem Ehemann getrennt hatte.

Als Bezieher von ALG-II-Leistungen und Eltern von vier Kleinkindern gestaltete sich die Suche nach einer neuen Wohnung für die Mieter als äußerst schwierig und am Ende auch als erfolglos. Daher wehrten sie sich gegen die Eigenbedarfskündigung und beriefen sich dabei auf die Härtefallregelung.

Da wollte die Vermieterin nicht mitspielen. Sie klagte auf Räumung der Wohnung. Das Amtsgericht Lübeck entschied jedoch zugunsten der Mieter und wies die Räumungsklage ab. Die Vermieterin habe zwar ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses, allerdings könnten sich die Mieter zu Recht auf die Härtefallregelung berufen. Sie hätten hinreichend dargelegt, dass sie sich ernsthaft um eine neue Wohnung bemüht, Vermieter kontaktiert und Wohnungen besichtigt haben. Am Ende habe es aber immer eine Absage gegeben. Es sei bekannt, dass der Lübecker Wohnungsmarkt schwierig ist. Im Preissegment der Miete, die die Familie aufbringen könne, sei er sogar katastrophal, so das Gericht. Um Wohnungen in einer ausreichenden Größe für eine Familie mit vier Kindern konkurrieren zudem meist auch finanzstärkere Interessenten als die Beklagten. Im Vergleich dazu sei es für die Vermieterin als Einzelperson, die finanziell nicht von staatlichen Hilfen abhängig ist, einfacher eine geeignete Wohnung für sich zu finden, entschied das AG Lübeck.

Das Urteil zeigt, dass auch Eigenbedarfskündigungen unwirksam sein können. Mieter und Vermieter sollten bei Eigenbedarfskündigungen immer prüfen, ob ggf. Härtefallregelungen zur Anwendung kommen können.

Rechtsanwalt Jan Gier steht für eine Erstberatung nach telefonischer Vereinbarung oder Kontaktaufnahme per E-Mail gern zur Verfügung.