Kündigung aus Härtegründen – Widerspruch des Mieters
Auch gegen eine an sich ordentlich gerechtfertigte Kündigung können Mieter sich rechtlich wehren und eine Fortsetzung des Mietverhältnisses erstreiten. Dies ist dann möglich, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter einen existentiellen Einschnitt in seine Lebensgrundlage bedeutet, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Dies ist wiederum der Fall, wenn die üblichen Unannehmlichkeiten, die mit einer erneuten Wohnungssuche einhergehen, durch einen besonderen Härtefall deutlich schwerwiegender ausfallen. In folgendem Fall, der am Ende beim Bundesgerichtshof landete, versuchte ein 1930 geborene Mieter seine Demenz als Härtegrund geltend zu machen.
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in seinem Urteil (Az. VIII ZR 270/15) die besondere Bedeutung hervor gehoben, die bei der Prüfung von Härtegründen nach § 574 Abs. 1 BGB der sorgfältigen Sachverhaltsfeststellung und Interessengewichtung zukommt. Gerichte müssen sich zum Vorteil des Mieters ein profundes und eigenständiges Bild von dessen Situation verschaffen, so der Bundesgerichtshof.
Nachdem der Vermieter erneut in Berufung gegangen war, erklärte das Berufungsgericht, dass es diese Ausführung prinzipiell teile. Es unterstrich jedoch auch die Interessen des Vermieters und stellte diese keineswegs niedriger als die Nöte des Mieters. Auch wenn diese schon von einem Sachverständiger als de facto existentiell bedrohlich gewertet wurden. Dies zeugt für ein enormes Unverständnis und fehlende Sensibilität für die existenziellen Schwierigkeiten, in die ein Mieter gerät, der gesundheitlich außer Stande ist, eine neue Wohnung zu finden.
Bei Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Lebensgefahr sind die Gerichte verfassungsrechtlich verpflichtet, im Interesse derer zu urteilen, die diesen Tatbestand geltend machen können. Gerichte müssen deshalb sehr genau, durch zurate ziehen von Sachverständigen, prüfen, welche Gefahren für den Mieter bestehen. Sie dürfen es bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen nicht riskieren, eine Situation zu schaffen, die den Mieter in ein existentielles Chaos stürzt.
Erst dadurch sind die Gerichte überhaupt in die Lage, die Konsequenzen, die für den Mieter mit einem Umzug verbunden sind, im Rahmen der nach § 574 Abs. 1 BGB notwendigen Abwägung sachgerecht zu beurteilen.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verwies deshalb darauf, dass die dafür notwendigen Feststellungen bisher ausgeblieben sind und hat daher das Berufungsurteil aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückgewiesen.
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